Interview Prof. Stockhausen

Wir haben ein Gespräch mit Prof. v. Stockhausen geführt und stellen den bekannten Glasmaler, der in Buoch wohnt, kurz vor:

1920 wird Hans Gottfried von Stockhausen auf der Trendelburg bei Kassel geboren. Als Kriegsgefangener in Ägypten ist er als Zeichner und Bühnenbildner tätig. 1947 kehrt er nach Deutschland zurück, studiert an der Kunstakademie in Stuttgart und wird Schüler des Glasmalers Prof. Rudolf Yelin. 1956 erhält er den Auftrag für drei Chorfenster im Ulmer Münster. 1960 beginnt seine Freundschaft mit dem Theologen Karl Barth. 1968 wird er an die Stuttgarter Kunstakademie berufen und ein Jahr später zum Professor ernannt. Er übernimmt den Lehrstuhl für Glasmalerei.

Prof. Stockhausen

In den vergangenen Jahrzehnten hat er viele Kirchenfenster in ganz Deutschland gestaltet. Zuletzt entstanden Chorfenster in der Kathedrale von Seattle/USA, 1997 wurde in der Thomaskirche in Leipzig das Mendelssohn-Fenster übergeben und 1998 sein zweites Fenster in der Esslinger Frauenkirche.

Seit 1996 ist Prof. v. Stockhausen Ehrenmitglied der Stuttgarter Kunstakademie.


Turmuhr: Herr Professor von Stockhausen, was war Ihr Eindruck, als Sie den Innenraum der Beutelsbacher Stiftskirche zum ersten Mal gesehen haben?


Prof. v. Stockhausen: Die Kirche ist mit einer großen Geschichte verbunden und wirkt eindrucksvoll mit den Fenstern im Schiff, dem Altarbereich, der großartigen Orgel und der Chorempore. Doch der Chorraum, auf den die Kirche ausgerichtet ist, kommt nicht wirklich zum Sprechen, weil die Fenster im Chor nicht gestaltet sind. Wer nach vorne sieht, hat neben der Orgel die ungestalteten Fenster im Blick.


Welche Auswirkungen hat es auf den ganzen Kirchenraum, wenn diese Chorfenster gestaltet werden?


Ohne mich damit überheben zu wollen, denke ich, daß die Gestaltung der Chorfenster ein ganz wesentliches Moment für die innere Sammlung in diesem Raum bedeutet. Die Farbigkeit der Fenster wird auf den ganzen Raum ausstrahlen und ihm einen tieferen Sinn geben.


Können Sie in ein paar Stichworten etwas zur Gestaltung des Fensters sagen?


Das erste Fenster sollte im Zusammenhang mit später drei Fenstern gesehen werden. Ein so "geschlossener" Chor entspricht dem ausdrücklichen Wunsch der Denkmalpflege und der Vorstellung des Kirchengemeinderats und ist auch Gegenstand des vorgelegten Entwurfs.


Es war mir wichtig, inhaltliche Beziehungen zwischen den Fenstern mit Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament zu schaffen. Daneben wollte ich die Beutelsbacher Geschichte einbeziehen, beispielsweise mit dem Schutzpatron der Kirche, dem Hl. Leodogar, der von den Württembergern aus Burgund nach Beutelsbach gebracht wurde. Wenn man in seine Geschichte eindringt, wird er zutiefst in einen Zusammenhang gestellt mit dem, was ich mit den Szenen aus dem Alten und Neuen Testament zu sagen versuche. Dies ist ebenso der Fall bei der Geschichte vom "Armen Konrad" und dem Bauernkrieg, der auch einen direkten Bezug zu Beutelsbach hat.


Die eigentliche Thematik bei dem ersten Fenster beinhaltet unten die mich tief berührende Geschichte von Jesus und Zachäus, dem reichen Mann, klein von Statur, der Jesus unbedingt sehen möchte und deshalb auf einen Baum steigt. Jesus sieht ihn, und das Erste, was er zu ihm sagt, ist: "Komm herunter! Dann komme ich auch zu dir und deinem Haus." Dies ist ein sehr hintergründiges Wort, das uns zu denken geben sollte.


Darüber das Gleichnis vom Hirten und der Herde, dem schönen Psalm: "...Und ob ich schon wanderte im dunklen Tal...".


Alle Bilder, die ich in den Fenstern ausgewählt habe, sind für mich Grundbilder unseres menschlichen Daseins, die, in biblische Geschichten eingekleidet, eigentlich Lebensbilder für unsere Zeit darstellen und die einmal, so hoffe ich, den Betrachter dazu anhalten sollen zu fragen: "Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Und was hat es mit uns heute zu tun?“


Das dritte Fenster hat übrigens einen besonderen Rang, weil es auf der Südostseite das stärkste Licht empfängt und abgibt und das Gegenlicht auf die später gestalteten Fenstern rechts und links der Orgel in entscheidender Weise ausgleicht.


Alle Fenster zusammen werden dann, so hoffe ich, dieser schönen Beutelsbacher Kirche eine starke Ausrichtung und eine berührende Ruhe geben, die dem vom Alltag in die Kirche kommenden Menschen vielleicht auch ohne Worte ein Stück Kraft und Hoffnung geben kann.


Vielen Dank, Herr Prof. v. Stockhausen! (GS)